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Feinplanung in der Produktion: Herausforderungen und Lösungen

Enorme Datenmengen, Variantenvielfalt und die schnelle Veränderung von Kundenanforderungen stellen die moderne Produktionsplanung vor Herausforderungen. Es ist eine intelligente Feinplanung erforderlich, um auf die dynamische Veränderung von Planungsgrundlagen und Ressourcen kurzfristig reagieren zu können.

Dieser Artikel zeigt auf, welche Faktoren hierbei zu berücksichtigen sind und wie sich die optimale Softwareunterstützung darstellt.

 

 

 

Was ist Feinplanung?

Bevor wir uns näher mit den aktuellen Herausforderungen in der Feinplanung beschäftigen, sei zunächst der Begriff definiert. Grundsätzlich hat eine Feinplanung die Aufgabe, sämtliche Einzelschritte in der Produktion bis ins kleinste Detail zu planen. Das übergeordnete Ziel ist es, die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren. Kommen intelligente Verfahren zur Anwendung, ergeben sich folgende Vorteile:

  • Optimierung der Auslastung, Arbeitsplatzbelegung und Reihenfolge
  • Minimierung von Rüstzeiten
  • Kostensenkungen in den Bereichen Produktion, Lager und Material
  • hohe Termintreue (fristgerechte Fertigstellung der Produktion)

Die Feinplanung ist (ebenso wie die vorausgehende Grobplanung) Bestandteil der Produktionsplanung und definiert, welche Ressourcen den einzelnen Fertigungsaufträgen zugeordnet werden. Zudem legt sie die Auftragsreihenfolge fest, wobei häufig auch von einer Feinterminierung die Rede ist.

Für die Reihenfolgeplanung nutzen viele Unternehmen heuristische Verfahren, die auf definierten Prioritätsregeln basieren. Zudem werden Betriebs- und Rüstzustände genutzt, um die Planung und Terminierung der Maschinenbelegung zu unterstützen. Insbesondere im Zusammenhang mit kurzfristigen Änderungen der Auftrags- oder Kapazitätssituation spielt die Feinplanung eine zentrale Rolle.

Heuristische Verfahren in der Produktionsplanung

Wenn die Lösung komplexer Planungsprobleme einen sehr hohen Zeit- und Rechenaufwand verursacht, sind heuristische Verfahren ein probates Mittel in der Produktionsplanung. Im Gegensatz zu analytischen Verfahren verfügen heuristische Methoden nicht über einen formalen Algorithmus. Unterschieden wird vielmehr zwischen Näherungs- und Prioritätsregeln.

Näherungsregeln können den Rechenprozess zwar deutlich verkürzen, es besteht jedoch das Risiko, dass aus den zahlreichen möglichen Lösungen nicht die beste ausgewählt wird. Im Rahmen der Anwendung von Prioritätsregeln erhalten die einzelnen Lösungsalternativen eine Priorität. Wie wirksam die Regeln sind, wird häufig mit Simulationen eruiert.

Prioritätsregeln im Überblick

Die Anwendung von Prioritätsregeln ist in der Feinplanung weit verbreitet. Die Regeln legen fest, wie freigegebene Aufträge den einzelnen Arbeitsstationen in der Produktion zugeordnet werden. Besonders bedeutsam ist dies, wenn mehrere Aufträge vor einer Arbeitsstation warten und damit um die Produktionsressource konkurrieren. Die Reihenfolge wird festgelegt, indem jeder Auftrag eine Wertigkeit erhält, welche aussagt, wie dringend der Auftrag ist.

Das sind die gängigsten Prioritätsregeln:

  • KOZ-Regel (kürzeste Operationszeit): Auftrag mit der kürzesten Operationszeit erhält die höchste Priorität
  • LOZ-Regel (längste Operationszeit): Auftrag mit der längsten Operationszeit erhält die höchste Priorität
  • GRB-Regel (kürzeste Restbearbeitungszeit): Auftrag erhält die höchste Priorität, wenn seine verbleibende Bearbeitungszeit auf allen benötigten Maschinen am geringsten ist
  • WT-Regel (Wert): Auftrag mit dem höchsten Produktivwert erhält die höchste Priorität
  • SZ-Regel (Schlupfzeit): Auftrag erhält die höchste Priorität, wenn dessen Schlupf (Differenz zwischen Liefertermin und Restbearbeitungszeit) am kleinsten ist
  • FLT-Regel (frühester Liefertermin): Auftrag mit dem frühesten Liefertermin erhält die höchste Priorität
  • MAA-Regel (meiste noch auszuführende Arbeitsgänge): Auftrag mit den meisten noch auszuführenden Arbeitsgängen erhält die höchste Priorität
  • WAA-Regel (wenigste noch auszuführende Arbeitsgänge): Auftrag mit den wenigsten noch auszuführenden Arbeitsgängen erhält die höchste Priorität
  • FIFO-Regel (first in first out): Auftrag, der als erster im System eingetroffen ist, erhält die höchste Priorität
  • FCFS-Regel (first come first served): Auftrag, der zuerst bei einer Arbeitsstation ankommt, erhält die höchste Priorität
  • GGB-Regel (größte Gesamtbearbeitungszeit): Auftrag, der die größte Gesamtbearbeitungszeit auf allen Arbeitsstationen hat, erhält die höchste Priorität
  • KGB-Regel (kleinste Gesamtbearbeitungszeit): Auftrag, der die kleinste Gesamtbearbeitungszeit auf allen Arbeitsstationen hat, erhält die höchste Priorität
  • UK-Regel (Umrüstungskosten): Auftrag, der die geringsten Umrüstungskosten an der Arbeitsstation verursacht, erhält die höchste Priorität

Keine der Prioritätsregeln kann generell empfohlen werden. Vielmehr muss sich die Auswahl an der aktuellen Fertigungssituation orientieren. Bei korrekter Anwendung lässt sich die Reihenfolgeplanung jedoch deutlich vereinfachen. Die Entscheidung, welcher Auftrag wann zu bearbeiten ist, kann hierbei zum spätest möglichen Zeitpunkt getroffen werden. Entsprechend sind auch kurzfristige Änderungen relativ unproblematisch durchführbar.

Aktuelle Herausforderungen in der Feinplanung

Industrie 4.0 erfordert eine flexible, schlanke und moderne Produktion. Bei der Betrachtung eingesetzter Software-Systeme fällt jedoch immer wieder auf, dass diese zu starr sind, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. So lassen sich einzelne Arbeitsgänge beispielsweise nicht flexibel via „Drag and Drop“ verschieben.

Auch wird nicht immer ersichtlich, wie sich Verschiebungen auf konkurrierende Aufträge auswirken. Die Simulation verschiedener Planungsszenarien wird häufig überhaupt nicht unterstützt. Insbesondere, wenn eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme in der Produktion eingesetzt wird, ist die Zukunftsplanung aufgrund fehlender oder veralteter Daten oft unrealistisch.

Informationen aus der Betriebsdatenerfassung fließen ebenfalls zum Teil nicht in Echtzeit ein, wodurch die Produktionsplanung zusätzlich erschwert wird.

ERP mit integrierter Feinplanung als Lösung

Produktionsteams benötigen moderne Planungswerkzeuge, um eine optimale Organisation zu gewährleisten, Kundenwünsche termingerecht zu erfüllen und eine kostengünstige Fertigung sicherzustellen. Herausfordernd ist hierbei die enorme Menge an Daten mit zahlreichen Restriktionen und Abhängigkeiten.

Insbesondere ERP-Branchenlösungen für die Fertigungsindustrie zielen deshalb darauf ab, trotz dieser vielfältigen Informationen einen optimalen Überblick zur aktuellen Produktionssituation zu schaffen. Sie ermöglichen es damit, in jedem Prozessschritt der Auftragsbearbeitung sichere Entscheidungen zu treffen. Auch unterstützen sie gängige Planungsszenarien und Simulationen.

Im Kontext der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) setzt sich weiterhin der Begriff Advanced Planning and Scheduling (APS) zunehmend durch. Im Rahmen von APS werden Produktionsprozesse, Ressourcen und Kapazitäten übersichtlich visualisiert. Material- und Kapazitätsengpässe lassen sich dank Advanced Planning and Scheduling zudem zeitnah identifizieren.

APS kann als ideale Unterstützung der Feinplanung bezeichnet werden. So geben ERP- und PPS-Systeme mit integrierten APS-Funktionen beispielsweise Aufschluss darüber, welche Aufträge sich derzeit im System befinden. Auch der aktuelle Bearbeitungsstatus und der frühestmögliche Liefertermin werden ersichtlich.

Nicht zu vernachlässigen ist außerdem, dass APS die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Aufträgen darstellt. Im Optimalfall können Anwender in eine Ressourcensicht wechseln, die aufzeigt, welche Arbeitsgänge für bestimmte Produktionsmittel oder Maschinen eingeplant sind. Nicht zuletzt die frühzeitige Erkennbarkeit von Engpässen spricht für eine Feinplanung mit APS.

Die moderne Feinplanung darf sich unabhängig davon nicht alleine auf die optimale Ressourcenauslastung konzentrieren. Sie muss dazu in der Lage sein, nahezu in Echtzeit und mit hoher Flexibilität auf Rückmeldungen von Produktionseinrichtungen zu reagieren.

Nur ein Beispiel sind Störungen, die im Rahmen der „Smart Factory“ dazu führen sollen, dass die Produktionsplanung automatisch angepasst wird. Entsprechend ist bei der Softwareauswahl unter anderem die Frage zu stellen, inwiefern ein System in der Lage dazu ist, Maschinen- und Sensordaten zu verarbeiten.

 

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